Digital Grotesque // Michael Hansmeyer // Open Lecture Angewandte Wien

Gestern hatte ich das Vergnügen, Michael Hansmeyer Open Lecture an der Angewandten Universität Wien bewohnen zu dürfen – und weil das komplexe Thema des digital grotesque den Kopf soweit auf verkrümmte Bahnen bringt, klingt selbst dieser verschachtelte Einleitungssatz fast schon sakral. Oder zumindest vergeistigt. Digital Grotesque ist ein Projekt, das Computeralgorithmen, Architektur und 3D Printing in einer fraktalen, ja fast schon Giger-esken Form zusammen bringt.

 

Im generellen geht es, auch wenn ich als Nicht-Architekt hier die architektonisch-künstlerischen und gestalterischen Zusammenhänge weniger verstehe als wohl die/der eine oder andere Anwesende, um Subdivision, also das Teilen von Kanten einer simplen 3D Form und deren unzählbare Wiederholung mit verschiedenen Parametern. Also – für mich sehr reduziert formuliert – 3D Computerkunst. Und davon verstehe ich dann doch etwas.

 

Algorithmen und Fraktale sind 3D Artists ja nichts unbekanntes, von Noise Modifiers bis hin zu fraktal generierten Texturen, Landschaftstools wie Vue und Partikelsimulationsparametern (was für ein Wort) sind mathematische Prozesse ständige Begleiter. Aber was Michael Hansmeyer hier geschaffen hat, geht darüber dennoch einen Schritt hinaus. Als Kurzzusammenfassung aus dem Kopf heraus wurden im Entwicklungsprozess von Digital Grotesque und dessen (deren?) Verläuferprojekte, bzw. Prototypen, mittels der frei erhältlichen Software Processing Formeln für Formen entwickelt, die Säulen in der Tradition der dorischen und ionischen Gestaltung solange, man verzeihe mir die saloppe Wortwahl, zerwurschtelt und verbiegt, bis daraus wunderbare Schöpfungen aus einer anderen, fast schon beunruhigenden Welt wurden.

 

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Was digital in den Eingeweiden der Bits und Bytes existierte, wurde in einem wohl recht erschöpfenden Prozess Schicht für Schicht aus Karton geschnitten und gestapelt – was die ersten Prototypen der Säulen des digital grotesques ergab.

 

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Soweit so gut, doch Michael Hansmeyer gab dem ganzen noch sozusagen die Twist ins Extreme: warum bei einzelnen Säulen bleiben, wenn die Halle, also der Raum noch zu gestalten ist. Mittels Sand-Casting, also dem industriellen 3D Druck auf Sand- und (soweit meine Recherchen mich trugen) Harzbasis, das normalerweise zur Fertigung von Industriebauteilen im Rapid Prototyping Verfahren verwendet wird, wurde Block für Block eine Art digitaler Kathedrale gedruckt, grosz genug um sie zu begehen und detailverliebt in Struktur der Oberflächen und Unterteilungen. Another World.

 

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Allein die Kamera-Animationen und 3D Visualisierungen, übrigends im Maxwell Renderer berechnet, lassen einem für einen Moment den Mund staunend offenstehen. Wie es sich anfühlt, direkt im ersten 3D gedruckten Raum der Welt zu stehen, kann ich mir ehrlich gesagt im positiven Sinne kaum vorstellen. Das musz groszartig sein. Oder sehr verwirrend.

 

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So entsteht also eine verrückte (in beiderseitigem Sinn) Architektur in einer Synergie aus Mensch und Maschine, Schöpfungsgeist und Technologie, um neue Grenzen auszustossen und Formen, wie sie die Natur eben in fraktalen Formen wiedergibt, digital und 3D neu zu interpretieren. Von der gefurchten Rinde zum Industriedruck, von der Idee zum Objekt – man musz sich schon darauf einlassen, dasz hier die Kontrolle des Künstlers (ja, so generell würde ich das ausdrücken) zu einem Gutteil auf Zahlen und mathematische Formeln abgegeben wird. Die ausgeloteten Grenzen verschwimmen, der Mensch wirft den Funken, verändert die Parameter, ein Klick auf Start und die Maschine arbeitet an einer neuen Schöpfung.
Und seht ihr, das klingt ja schon wieder fast religiös.

Ka, www.ninc.at

 

Links:

Digital Grotesque Website:
http://digital-grotesque.com/

Michael Hansmeyer Website:
http://www.michael-hansmeyer.com/

Processing (inklusive Download)
http://processing.org/

Similarities:
Diatomeen (Kieselalgen)
http://de.wikipedia.org/wiki/Kieselalgen

 

English Information:

Michael Hansmeyer is an architect and programmer who explores the use of algorithms and computation to generate architectural form. Recent projects include the Sixth Order installation of columns at the Gwangju Design Biennale, as well as the design and construction of full-scale 3D printed grotto for the 2013 Archilab exhibition.
He is currently based in the CAAD group at Swiss Federal Institute of Technology’s architecture department in Zurich. He holds a Master of Architecture degree from Columbia University and an MBA degree from INSEAD Fontainebleau. He previously worked in the consulting and financial industries at McKinsey & Company and J.P. Morgan respectively, as well as at Herzog & de Meuron architects.

Digital Grotesque is the first fully immersive, solid, human-scale, enclosed structure that is entirely 3D printed out of sand. This structure, measuring 16 square meters, is materialized with details at the threshold of human perception. Every aspect of this architecture is composed by custom-designed algorithms.

Please visit digital-grotesque.com for more information.

Architects:
Michael Hansmeyer
Benjamin Dillenburger

Partners and Sponsors:
• Chair for CAAD, Prof. Hovestadt, ETH Zurich
• Department of Architecture, ETH Zurich
• voxeljet AG
• FRAC Centre
• Strobel Quarzsand GmbH
• Pro Helvetia

Research for the Digital Grotesque project was carried out at the Chair for CAAD at the Swiss Federal Institute of Technology (ETH) in Zurich. All components were printed by voxeljet AG. The first part of Digital Grotesque is a commission by FRAC Centre for its permanent collection.

Fabrication Team:
Maria Smigielska, Miro Eichelberger, Yuko Ishizu, Jeanne Wellinger, Tihomir Janjusevic, Nicolás Miranda Turu, Evi Xexaki, Akihiko Tanigaito

Video & Photo:
Demetris Shammas, Achilleas Xydis

Music:
“Flicker” by Origamibiro (origamibiro.com)

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