Die Tücken des Internets

Oh wie schön muss die Welt gewesen sein, als es unmöglich oder zumindest mit riesigem Aufwand verbunden war, Bilder zu bearbeiten. Leider kann ich von diesen Zeiten nicht berichten. Von noch weiter zurückliegenden Zeiten kann ich, egal wie sehr ich mich damit beschäftige, nur durchs Hörensagen ins Schwärmen geraten. Vor allem die 60er und 70er Jahre strahlen einen Glanz und eine Faszination aus, was mich oft den Wunsch äußern hat lassen, diese Zeit aktiv miterlebt haben zu können. Dafür hätte ich auch auf Wikipedia, Photoshop und elektronische Musik verzichtet. Wirklich.
Gestern Abend verbreitete sich in einem wohlbekannten Onlineportal ein erstaunliches Konzertplakat. Darauf prangten großartige Namen wie Jimi Hendrix, The Doors, Led Zeppelin, Bob Dylan oder Pink Floyd. Sollte diese Zeit wirklich so abgefahren gewesen sein, dass ein Festival die Künstler, die Generationen geprägt haben, auf eine Bühne gebracht hat? Freitag zu Hendrix, Samstag zu Jefferson Airplane und Sonntag zu den Stones? Unmöglich! Doch das ominöse Plakat sagte es so. Da stand es schwarz auf orange. Die Kommentare zum Plakat sprachen eine eindeutige Sprache: „Früher war eh alles besser. Da wäre ich gerne gewesen.“ Coachella 1969 musste demnach vom Line-Up größer gewesen sein, als Woodstock.
Jetzt kommt wieder Photoshop ins Spiel. Aus einer eigentlich scherzhaften Idee heraus entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit ein vom Coachella-Festival offiziell ausgeschriebener Wettbewerb. Ziel war es im Nachhinein Fakeplakate und Line-Ups niemals dagewesener Festivals zu erstellen (Coachella gibt es erst seit 1999). Den Gewinnern winkte immerhin ein gratis Festivalpass. Ob sie gewusst haben, was sie in den Köpfen der armen Internetgemeinde anrichten? Die Sehnsucht nach einer scheinbar großartigen Vergangenheit wurde durch ein einfaches, gephotoshoptes Plakat angeheizt. Wir hätten es auf jeden Fall sofort wissen müssen, aber man wird doch wohl noch träumen dürfen.

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